Eindrücke: Mercedes-Benz S65 AMG L – V222

S65 amg von hinten burg

Die Fakten alleine, können einen irre machen: 630 PS, 1.000 Nm und das ganze gute 235.000 € teuer. Während andere zum gleichen Preis ein Zwei-Familienhaus bauen, stellt Mercedes-Edeltochter AMG hierfür die absolute Über-S-Klasse auf die Räder.

Mercedes-Benz S 65 AMG L – Eindrücke

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Ein wenig unwohl wird einem schon. Da bringt jemand ein Auto, für dessen Kaufpreis andere ein Haus bauen. Inklusive Grundstück.  234.906,00 € der – für Otto-Normalfahrer – unvorstellbare Basis-Preis dieser außergewöhnlichen Limousine.

Hier sind die Schlüssel, viel Spaß.

Du steigst ein, spürst dieses weiche Leder, Nappa nußbraun. Du atmest den Duft, den nur Neuwagen besitzen. Teure Neuwagen. Leder, Alcantara, Holz, Aluminium. Ein neues Auto riecht wohlig, beruhigend und dennoch aphrodisierend.

Mercedes-Benz mag früher Sofas und Alt-Herren-Wohnzimmer-Sessel verbaut haben, heute stellt die S-Klasse die absolute Benchmark im Bereich des Sitzkomforts. Hier findet jeder die richtige Position. Wohlstandsgenährt? Kein Problem. Fetter Arsch? Schmale Schultern? Alles kein Problem. Hätte Mercedes nicht bereits die Mimik der Sitzverstellung in den Türen untergebracht, kein anderer hat diese Bedienung so perfektioniert, müsste es erfunden werden. Die Sitzfläche verlängern, ich mag es wenn die Sitzfläche bis zu den Kniekehlen reicht, leise surrend dehnt sich die Sitzfläche nach vorne aus. Die Kopfstütze mit diesem weichen Kopfkissen noch ein wenig nach oben, ein wenig an den Kopf heran – nur leicht soll sie stützen, nicht drücken. Die Sitzwangen eingestellt, ein wenig enger darf es im S65 AMG sein. Diese S-Klasse will nicht nur cruisen, diese S-Klasse will dir zeigen, wie ein Wal das fliegen lernt. Dazu schadet es nicht, wenn die Sitze eng anliegen. Elektrische Lenkradverstellung? Natürlich. Ein wenig Knöpfe drücken, Hebel ziehen und Du sitzt nicht mehr auf einem Kutschbock, nicht im Fahrzeug, du bist integraler Bestandteil. Dreh den Schlüssel. Los! Dreh den Schlüssel.

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So fühlen sich Stars, Sternchen und Fußball-Profis

Während sich  die 12 Kolben im Aluminiumgehäuse, vom singenden Anlassergeräusch begleitet, in Bewegung setzen, bauen die beiden Turbolader Druck auf. Zwölf Doppelzündspulen bereiten sich auf ihren Einsatz vor. 6 Liter Hubraum zu fluten dauert einen Augenblick – dann schmettert der Gesang der elitären Omnipotenz durch die doppelflutige Auspuffanlage. Das Ergebnis des Verbrennungsvorganges erschlägt die Erwartungen. Die ersten Momente laufen die verbrannten Gemischreste, des 98 Oktan Superplus,  wohlig ungedämpft in die Zuschauermengen.

Zuschauer

Einen 5.25 Meter langen AMG fährt man nicht unentdeckt durch die Welt. Wo immer man parkt, die Zuschauer sind schon da. Zu auffällig ist die Kriegsbemalung des AMG. Die mächtigen Lufteinlässe an der Front, deren chromigen Schutzgitter. Dezent ist auf jeden Fall anders.

Mit dem S65 AMG in die profane Welt des Alltags abzutauchen, beim Getränkehändler die Bierkiste zu kaufen, vor dem Supermarkt einen passenden Parkplatz zu finden oder nur mal schnell zur Post-Filiale zu fahren, fühlt sich an, als würde man mit einem Blau-Wal als Haustier zur Gassi-Runde aufbrechen. Es ist immer ein wenig too much. Aber nur äußerlich.

Glossy Chrome, die üppigen 20 Zoll Schmiederäder und die schiere Größe – von innen bleibt davon nichts übrig. Von innen wirkt der volle Charme des nußbraunen Nappas, der opulenten Platzverhältnisse, der Einfachkeit in der Bedienung. Sicher hat der S65 AMG alles an technischen Gadgets an Board, was der Markt derzeit so hergibt – aber nichts davon muss man nutzen. Man kann sich langsam auf die Reise begeben. Ihn langsam kennen lernen, ihn schätzen lernen. Die vielen Fähigkeiten langsam erforschen. Während man einfach nur dahin fliegt.

Fahren ist ein Genuss. 1.000 Nm drücken dich durch die 7 Fahrstufen der Automatik, als wäre das Leergewicht von 2.250 Kilogramm nur eine Fabel. Er zoomt dich durch diese Parallelwelt da draußen. Er beschützt dich vor dem Lärm der anderen, den Gerüchen der Welt, dem poppeligen Lifestyle der 8.999 € City-Möhren. Womit man andernorts ganze Neuwagen auspreist, damit behängt man im S65 AMG L (V222) nur eine Ausstattungsoption. Während die fulminante Burmester-Anlage in Serie geliefert wird, darf der glückliche Kunde eines S65AMG wenigstens 8.270,50 € (Komma fünfzig cent!!) für die AMG Keramik Bremsanlage ausgeben. Was wäre ein S65-1000-Nm Blauwal ohne Keramik-Bremse? Richtig. Halbgar. Die 360° Kamera kostet weitere 1.023,40 € und ist dringend empfehlenswert. Nicht in der freien Wildbahn, aber in Parkhäusern. Da sind dann 3.17 Meter Radstand durchaus eine Aufgabe.

Alles in diesem S65 AMG strahlt diese elitäre Souveränität aus, die man besitzt, wenn das Bankkonto nur so vor Spielgeld überläuft.

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 Surreale Welt und das abrupte Ende bei 258 km/h

Eine freie Autobahn. Obwohl. So frei muss die Autobahn gar nicht sein. Man kann nicht schnell fahren? Das mag sein, wenn man bei 8.999 € zugegriffen hat. Wer sich das Triebwerk eines US-Flugzeugträgers unter die schnittige Schnauze der neuen S-Klasse packen lässt, der lächelt über diese Standard-Floskel nur müde. Mit 630 PS und 1.000 Nm kann man schnell fahren. Wann immer man will.

Tempomat 130 km/h – Kickdown. Die Ziffern im Head-Up Display überschlagen sich. Der V12 brüllt auf. Gedämpft durch zwei Turbos. Gedämpft durch den wohligen Wohlstands-Speck des blauen Wals. Aber er brüllt. Man kann es besser hören, wenn man die Fenster leicht geöffnet hat. Die Doppelverglasung sperrt sonst die triste Außenwelt, das Klangfiasko von Vierzylinder-Dieseln, aus.

Zweimal mit den Augenlidern gezuckt, im Head-Up-Display fallen die Zahlen wie im Ein-Armigen Banditen in Vegas durch das Raster. 250 – plötzlich fährt man gegen eine unsichtbare Wand. Eben noch Schub, im nächsten Augenblick, Windstille. 258 km/h.

Unfassbar. Der Motor summt nur noch vor sich hin.

Die schwachsinnige Selbstbeschränkung der dt. Automobil-Industrie lässt grüßen. Für den überschaubaren Aderlass von € 892,50 (Komma fünfzich!!) fällt auch diese Einschränkung. Ein AMG Fahrer-Training ist dann inklusive und die 300 km/h bekommt man als Bonbon obendrauf. Leider hat irgendjemand beim konfigurieren des Testwagen vergessen, genau diesen Haken in der Aufpreisliste zu setzen.

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Dann eben parken.

258 km/h mag einigen verweichlichten Ex-Spontis als unverantwortlich vorkommen. Sinnloses verblasen von wertvollen Ressourcen. Gemeingefährliches Rasen auf Gemeingut. Ich mag ihnen – während ich bei 258 km/h über die freiwillige Selbstbeschränkung sinniere – nur zurufen:

Fic*t Euch doch ins Knie! 

Versaut Geld die eigene Moral? Kann sein.

Verliert man den Überblick über die Verhältnismäßigkeit? Kann auch sein.

Am Steuer des fliegenden Blauwals interessiert einen diese Fragestellung jedoch nicht mehr.

Der S65 AMG gibt mir für einige Tage einen neuen Horizont. Was erwarten Menschen die für über 3.000 € im Monat eine 630 PS starke Limousine leasen? Es ist eine andere Welt. Es ist nicht meine Welt. Aber ich finde die Eindrücke faszinierend.

Die 800 km die ich in den Tagen mit dem S65 AMG gefahren bin, haben mich nachhaltig beeindruckt. Würde ich mir jemals für soviel Geld ein Auto kaufen? Vermutlich nicht. Die einzelnen Faktoren, die aus einer S-Klasse einen S65 AMG machen, sind tief beeindruckend. Der Bi-Turbo V12 ist eine Wucht von Aggregat. Der lange Radstand, die Chauffeurs-Sitze, der Business-Class-Freiraum auf der Rücksitzbank, der Konzert-Saal Charakter der Burmester-Anlage – dies alles ist für sich genommen bereits Luxus. Kombiniert man diese Bausteine, erhält man eine Dimension von Luxus, die für Otto-Normalo nicht mehr verständlich ist.

250.000 € Kaufpreis stehen am Ende auf dem Wunschzettel, wenn der S65 AMG L so ausgestattet wird, wie der Testwagen. Ja – natürlich zzgl. der weiteren 892,50 € (Komma fuffzich!!) für das “freie Fahren” bis Tempo 300. Unfassbar viel Geld – für ein einziges Auto.

Auch in S-Klasse-Maßstäben!

Ein S400 Hybrid kostet 92.225 €, ein S350 BlueTEC sogar “nur” 86.453,50 €. Und auch die 12-Zylinder bekommt man schon “für nur” 164.279,50 €.  Für sich alleine ist das viel Geld. Aber man sollte sich bewusst machen, zwischen S600 und S65 AMG steht noch einmal eine gut ausgestattete E-Klasse. So rein preislich. Das nur um die Verhältnisse noch einmal ins richtige Licht zu rücken!

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S65 aMG Powerlimousine

S65 AMG L – V222

Man mag glauben, der Abschied von einem solchen Testwagen würde schwer fallen.

Tut er. Kurz. Aber im Hirn setzt schnell eine art Selbstschutz ein, ähnlich wie man dies beim Verlust eines geliebten Haustieres erlebt. Man findet Argumentationen, weswegen es ja auch gar nicht so schlimm ist. Man bastelt sich Erklärungen, dass nun alles auch wieder besser wird. So beeindruckend war das ja alles nicht. Und überhaupt – soviel Geld, für nur ein Auto.

Man belügt sich selbst. Aus Selbstschutz-Gründen.

Tief im inneren jedoch weiß ich:

Dieser S65 AMG L war einfach geil und die Zeit war wunderbar! 

 

 

Mehr Fakten zum S65 AMG L – in den restlichen Bildern versteckt 🙂

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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