Dunlop Reifenentwicklung – Aus der grünen Hölle auf die Straße

Die Nordschleife fordert Fahrern, Autos und Reifen alles ab. Ständig wechselnde Beläge und ruppige Bodenwellen prägen die schwerste und längste Rennstrecke der Welt und begründen ihren Nimbus. Nur ein Pneu, der hier stets für ein Maximum an Grip sorgt, kann seinen Fahrer auch zum Sieg führen. Der Reifenhersteller Dunlop nutzt den Motorsport auf dem Ring als Test- und Prüffeld auch für seine Kollektion für die Straße und hat in diesen Tagen mal zum Blick hinter die Kulissen und in die Boxen eingeladen.

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Das Know-how, das Dunlop an der Rennstrecke erwirbt, fließt ständig in die Serienreifenentwicklung der Hanauer ein.

Windböen fegen gefrierenden Regen durch die Boxengasse. Die „Grüne Hölle“, wie der Formel -1-Pilot Jackie Stewart die Nordschleife mal genannt hat, ist bekannt für ihre Wetterkapriolen. Noch am Morgen hatte ein schmales Band von blauem Himmel die Hoffnung geweckt, mit Frank Stippler ein paar Runden auf der knapp 21 Kilometer langen Strecke in der Hocheifel drehen zu können. Doch der Profirenn- und Testfahrer für die sportlichsten Serienmodelle und GT3 Fahrzeuge von Audi winkt jetzt ab. Er wird Recht behalten, das Asphaltband mit seinen viel verheißenden 87 Kurven bleibt heute den ganzen Tag gesperrt. Leider.

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Neben dem M6 GT3 setzt das Team um Henry Walkenhorst auch einen BMW Z4 GT3 und zwei M235i Racing auf der Nordschleife ein.
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Die Dunlop bereiften Sportprototypen des US-Amerikaners James Glickenhaus sorgen für Furore.

Bleibt der offene Grand-Prix-Kurs. Hier heizen im Minutentakt zwei neue Walkenhorst-BMW M6 GT3 und zwei Renn-Exoten der Scuderia Cameron Glickenhaus über die Strecke vorbei an den wenigen geöffneten Boxen. Doch das ist nur ein kleiner Ausschnitt an Modellen, für die Dunlop Rennreifen liefert. Nach der Verlagerung der Reifenproduktion für den Automobilsport nach Hanau begleitet Dunlop die Werkseinsätze von Aston Martin im Langstreckensport für dem Aston Martin V 12 Vantage GT3, von Audi für den R8 LMS, von Ford für den GT, für den Ferrari 458, den Lexus RC F und den BMW Z 4 GT3. Das Know-how, das auf der Rennstrecke gesammelt wird, fließt dabei ständig auch in die Dunlop-Serienentwicklung ein.

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Glatt wie ein Kinderpopo: Der Slick für die trockene Rennstrecke.

„ Für die Verwendung auf der normalen Straße muss die Motorport-Technologie natürlich angepasst werden“, erklärt Michael Bellmann, Marketing- Manager für die Marke Dunlop, vor den akkurat aufgestapelten Reifensätzen in der Box. Auf der einen Seite die Slicks, glatt wie ein Kinderpopo, die ausschließlich auf trockener Straße zum Einsatz kommen, außen Semi-Slicks mit ihrem Wasser ableitenden Profil und in der Mitte schließlich „echte“ Regenreifen. Jedes Profil und jeder Einsatzzweck verlangt zusätzlich nach Spezialausführungen mit entsprechender Gummi-Mischung. Die Rillen für den Wasserablauf werden in zeitaufwändiger Handarbeit mit Messern ins Gummi geschnitten. „Nein, ein Lehrberuf ist der Reifenschnitzer nicht“, lacht Michael Bellmann und schüttelt den Kopf. „Die meisten Schnitzer haben ihr Talent durch Zufall entdeckt und sind jetzt wahre Künstler.“

In Windeseile müssen während eines Rennens bei einem Wetterumschwung die Reifen gewechselt werden. Das geht natürlich bei einem Straßenreifen gar nicht, schmunzelt Bellmann, wird aber schnell wieder ernst: „Im Gegensatz zum Rennreifen muss ein Straßenreifen all die unterschiedlichen Eigenschaften für alle Bedingungen in einem Reifen verbinden und sie mit weiteren Alltagseigenschaften wie Komfort und Abrollgeräusch verbinden“. Das hört sich nach der Quadratur des Kreises an.

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Der Walkenhorst BMW M6 GT3 im spektakulären “Jawbreaker-Design”.

Einer der beiden Walkenhorst BMW M 6 GT3 mit besonders grimmiger Optik und mit grünlich gelb funkelndem LED-Licht nimmt jetzt die Kurve aus der Boxengasse hinein in die Box. Ohne viel Zeit zu verlieren, checkt das Team den Luftdruck und wechselt dann die Reifen. Stille Kommandos reichen zur Verständigung, jeder Handgriff sitzt. Der Fahrer liefert ein Stück Papier ab, sein Bewertungsbogen, auf dem der Copilot während der Fahrt festgehalten hat, wie sich die Reifen während der Strecke verhalten haben. Die Dunlop-Ingenieure werten nach jedem Testlauf zahlreiche Parameter aus, um die Reifen-Performance zu überwachen und zu analysieren. Neben harten Fakten wie den Rundenzeiten, der Reifentemperatur oder dem Temperaturunterschied zwischen Innen- und Außenschulter des Reifens betrachten die Experten auch das Reifenlaufbild und führen Verschleißmessungen durch. Hinzu kommen die Telemetriedaten des Autos. Von ganz entscheidender Bedeutung ist natürlich der ganz persönliche Eindruck des Fahrers. Nur wenn er sich ganz sicher auf der Strecke fühlt, sind auch Bestzeiten erreichbar. Eine Kombination aus all diesen Faktoren erlaubt es, die richtigen Schlüsse zu ziehen und gibt der Reifenmannschaft die Marschroute für die nächsten Set-up- bzw. Entwicklungsschritte vor.

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Ein Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren in der Rennsport- und Straßenreifen-Entwicklung ist der Dunlop Sport Maxx Race, der den Spagat schafft, einen Supersportwagen auf der Rennstrecke zu bewegen, ohne dafür im Straßenverkehr Kompromisse zu erzwingen. Möglichen machen das im Rennsport erprobte und von hier abgeleitete Hightech-Materialien wie spezielle Haftharze und hochfeste, hitzebeständige Kunstfasern sowie moderne Konstruktionselemente. Haftharze verbessern die Traktion durch Mikroverzahnung vom Reifen mit der Fahrbahnoberfläche. Dadurch wird eine extrem starke Straßenhaftung erzielt, die Grundlage für außergewöhnliche Beschleunigung und Bremspower. Hochfeste, hitzebeständige Kunstfasern mit hoher Zugkraft verhindern, dass der Reifen bei hoher Geschwindigkeit „wächst“ und dadurch die Aufstandsfläche kleiner wird und so physikalisch die Performance abnimmt. Durch diese Kunstfasern wird die Reifendehnung bei Fliehkräften begrenzt, das ermöglicht eine konstantere Aufstandsfläche auch bei hohen Geschwindigkeiten. Eine optimierte Reifenkontur und spezielle Seitenwandkonstruktionen führen zu einer besseren Druckverteilung innerhalb der Aufstandsfläche und damit zu verbessertem Handling.

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Geschäftig wuseln die Mechaniker um den knallgelben Glickenhaus SCG003C.
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Neben dem Kohlefaser-Schalensitz im SCG003C : der Nürburgring im skizzenhaften Überblick.

Eine Box weiter bellt unter der an einen Le Mans Prototypen erinnernden Hülle des Glickenhaus SCG003C der Sechszylinder BiTurbo nochmal kurz auf, bevor die Mechaniker vom Teamstandort in Turin Hand anlegen an der etwa zwei Millionen US Dollar teuren Einzelanfertigung und sie auf Herz und Nieren prüfen. Auch die Schuderia Cameron Glickenhaus, abgekürzt SCG, von der sich der Name des Rennwagens ableitet, wird von Dunlop ausgestattet. Schon seit je her ist Dunlop eine feste Größe bei zahlreichen Privatteams, die um den Klassensieg kämpfen. “Im internationalen und nationalen Spitzensport werden in diesem Jahr neben dem 24h-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring und in Le Mans auch der deutsche Lauf zur FIA-Langstrecken-WM auf der Grand-Prix-Strecke zu den Saisonhöhepunkten der Hanauer gehören”, freut sich Michael Bellmann, während der Glickenhaus sich mit Regenreifen wieder in Richtung Grand Prix-Strecke verabschiedet.

 

 

 

 

 

Text: Solveig Grewe, Fotos: Dunlop und Solveig Grewe

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