News: Ein Jahr im BMW i3 – Gegen den Strom

Laut ist out. Nie wieder ein Auto mit Verbrennungsmotor. Das war meine Devise vor über einem Jahr. Der Grund: Es gibt bessere Antriebe, einen elektrischen zum Beispiel. Vor allem, wenn man fast ausschließlich in einer Großstadt wie Hamburg unterwegs ist.

Bei den Marketing-Strategen laufe ich unter dem Namen „Early Adopter“ oder „First Mover“. Das sind Kunden, die sich ein Produkt zulegen, bevor es die Masse tut. Der BMW i3 ist so ein Produkt. Ein Elektroauto mit Karbon-Karosserie, ein Öko-Statement, extravagant gestylt, rostfrei, ultramodern in der Konzeption. BMW meint sogar, es sei ein größerer Sprung als von der Kutsche zum Automobil.

Kein Benzin, kein Diesel, kein Altöl, kein Keilriemen, kein Auspuff, nichts schmutzt, nichts stinkt, nichts lärmt. Die zukünftige Mobilität, leise, sauber, nachhaltig und cool. Alles schön und gut, doch leider noch unverschämt teuer. Schon der Basispreis des i3 liegt bei 34.950 Euro. Doch dabei bleibt es bei so einem Auto nicht. Niemand kauft hier ein mager ausgestattetes Grundmodell. Mit einigen Extras sind, wie in meinem Fall, schnell 45.000 Euro zusammen. Es wundert also nicht, warum in Deutschland so wenig i3 unterwegs sind.

Alles schön und gut, doch leider noch unverschämt teuer. Schon der Basispreis des i3 liegt bei 35.900 Euro.
Alles schön und gut, doch leider noch unverschämt teuer. Schon der Basispreis des i3 liegt bei 35.900 Euro.

Auf der anderen Seite: Man genießt die Exklusivität. Anders fahren als die anderen. Mit Strom gegen den Strom. Seit März 2014 leistet der BMW i3 mir gute Dienste, einen Sommer lang, einen Winter lang und wieder einen Sommer lang. Jüngst übersprang der Kilometerzähler die Marke von 18.000. Wenige i3-Besitzer dürften ähnlich ausgeprägte Erfahrungen mit dem Hightech-Stromer haben. Die guten vorweg: Kein Kompaktwagen hat mir jemals mehr Fahrspaß bereitet. Die fast lautlose und gleichmäßige Beschleunigung sind der pure Genuss. Ebenso die Ruhe, die der i3 trotz seiner sportlichen Fahrleistungen ausstrahlt. Hinzu kommen ein guter Sitzkomfort, eine klasse Übersicht, der bequeme Ein- und Ausstieg (zumindest vorne), ein reduziertes, ultramodernes Cockpit und das großzügige Raumgefühl, weil keine Mittelkonsole Fahrer und Beifahrer trennt. Bereits nach einigen Wochen konnte ich mir nicht mehr vorstellen, jemals wieder ein konventionelles Auto bewegen zu wollen. Selbst wenn es 500 PS haben sollte.

Aber: Der i3 ist längst nicht perfekt. Seine Achillesferse – wie bei jedem Elektroauto – bleibt der Akku. Im Carbon-BMW stecken hunderte von Lithium-Ionen-Zellen mit einer Gesamtkapazität von 22 kWh. Genutzt werden davon 18,8 kWh. Das soll verhindern, dass man die Batterie ganz leer fährt. Sonst würden die Zellen leiden. BMW verspricht unter Alltagsbedingungen eine Reichweite von 130 bis 160 Kilometer, im Fahrmodus „EcoPro“ weitere 20 und mit „EcoPro+“ (reduzierte Leistung, maximales Tempo 90 km/h) nochmals 20 Kilometer. Als Bestwert werden somit 190 Kilometer angegeben. In der Realität ist dieser Wert illusorisch. Wer ihn schaffen will, muss über Landstraßen mit Tempo 50 schleichen, viel ausrollen und so behutsam beschleunigen, dass selbst Sonntagsausflügler genervt sind. Die Wirklichkeit sieht so aus: Im Alltag schafft man 130 Kilometer – bei warmen Wetter.

Gespannt war ich auf den Winter. Akkus mögen keine Kälte. Im meinem Freundeskreis wurden bereits Witze gemacht. Was haben ein Käfer-Fahrer und ein BMW-i3-Besitzer gemeinsam? Sie frieren. Nun, ganz so ist es nicht. Der Käfer-Fahrer friert, weil seine Heizung einfach grottenschlecht ist. Der i3-Fahrer dagegen friert nur, wenn oder weil er Strom sparen muss, um beispielsweise den Weg nach Hause zu schaffen. Warme Luft für den Innenraum muss im i3 eine Zusatzheizung erzeugen – mit Strom aus der Batterie. Sobald die Heizung läuft, zeigt das Display nur noch eine Reichweite von 90 Kilometern an, fast 25 Prozent weniger.

Aber: Der i3 ist längst nicht perfekt. Seine Achillesferse – wie bei jedem Elektroauto – bleibt der Akku.
Aber: Der i3 ist längst nicht perfekt. Seine Achillesferse – wie bei jedem Elektroauto – bleibt der Akku.

Wer also Strom sparen will, muss frösteln – oder eine dicke Jacke anziehen, eine Decke über die Beine legen und Handschuhe tragen. Letzteres weil BMW die Lenkradheizung vergessen hat. Der Ring ist im Winter eiskalt. Vermutlich wird dieses Extra zur ersten Modellpflege nachgereicht. Auch die Freude über die „Vorkonditionierung“ hält sich in Grenzen. Gut gemeint: Hängt der i3 am Ladekabel kann er bequem über die App „i Remote“ per Handy klimatisiert werden. Das funktioniert auch zuverlässig. Im Winter heizt das System das i3-Zimmer zur eingestellten Abfahrtszeit – Start 15 Minuten vorher – auf 22 Grad Celsius auf. Die Scheiben sind enteist und das Cockpit ist kuschelig warm. Doch leider wird hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Strom fürs Vorheizen kommt nicht etwa aus dem Netz sondern aus der Batterie. Wie das? Sieben bis zehn Kilometer Reichweite sind schon vor Fahrtantritt futsch. Bei BMW heißt es dazu, dass die Vorwärmung nur mit der sogenannten Power-Wallbox funktioniert. „Über die gewöhnliche Haussteckdose fließt zu wenig Strom“, sagt i-Chefentwickler Ulrich Kranz.

Raum für Nachbesserung hat beim i3 auch das selbsternannte 360-Grad-Mobilitätskonzept. Wer eine längere Tour beabsichtigt, kann zwar über seine Sixt Goldkarte, die BMW i in Kooperation mit dem Autovermieter ausgibt, beispielsweise einen Fünfer-Touring für die Fahrt von Hamburg nach München zu etwas günstigeren Konditionen mieten. Mehr aber auch nicht. Wie es besser geht, zeigt Volkswagen. Besitzer eines Elektro-Golf haben 30 Tage im Jahr Anspruch auf einen konventionellen Wagen – kostenlos.

Wie teuer letztlich das Abenteuer i3 ein Jahr nach Kauf kommt, liefert die Abschlussbilanz nach 16 Monaten. Mein Durchschnittsverbrauch laut Bordcomputer: 11,9 kWh/100 km. Strom einschließlich Ladeverlust: 15 kWh/100 km. Fahrstrecke: 18.000 Kilometer. Das ergibt bei derzeitigen 27 Cent/kWh Stromkosten von 729 Euro. Günstiger lässt sich individuelle Mobilität schwerlich umsetzen, schon gar nicht mit einem 170-PS-Auto, egal ob Diesel, Benziner oder Erdgas. Bisherige Werkstatt/Service-Kosten: null Euro. Denn der i3-E-Motor läuft so gut wie verschleißfrei. Ölwechsel entfällt. Zudem muss man nur sehr selten die Fußbremse betätigen, weil das Auto wunderbar über die Rekuperation des Elektromotors verzögert werden kann. Heißt: Beläge und Bremsscheiben halten deutlich länger.

Der einzige Elektroschock ist der Restwert. BMW beziffert ihn auf rund 28.000 Euro. Das wäre ein Minus von 40 Prozent. Somit ist klar: Ich werde weiter stromern. Auch aus Überzeugung, weil ich glaube, dass dies, trotz der Akku-Nachteile, die künftige Art der automobilen Fortbewegung ist.

Autor: Michael Specht/SP-X

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