Markenausblick Jaguar Land Rover – Geländeparcours mit Hindernissen

Erfolg kann manchmal auch zum Fluch werden. Jaguar Land Rover (JLR), seit mehr als sechs Jahren im Besitz des indischen Tata-Konzerns, geht es so blendend wie nie zuvor. Die Briten feiern ein Rekordjahr nach dem nächsten. Seit 2009 hat sich der Absatz mehr als verdoppelt. Die Marke hat kein „faules Ei“ im Nest. Sämtliche Modelle, ob Limousinen, SUVs oder Sportwagen, kommen bei den Kunden gut an. Das Design stimmt, das Image stimmt, die Technik stimmt. Und doch hat JLR ein Problem: Den für 2021 von Brüssel geforderten CO2-Flottenausstoß zu schaffen. Ansonsten drohen empfindliche Strafen und damit einhergehender Imageverlust. Für jedes Gramm CO2 zu viel hat die EU den Herstellern ein Bußgeld von 95 Euro angedroht. Was zunächst nach wenig klingt, kann sich zu beachtlichen Beträgen von zig Millionen Euro addieren.

Lange konnten sich beide Traditionsmarken als sogenannte Nischenhersteller bequem zurücklegen. Doch nun, mit jährlich zusammen über 500.000 produzierten Einheiten, ist der Welpen-Schutz vorbei. Es gilt auch für JLR die 95-Gramm-Regel, die aufgrund der größeren Gewichtsklassen, in denen die meisten Modelle unterwegs sind, noch ein paar Gramm nach oben abweichen darf. Aber selbst 102 oder gar 105 g/km liegen derzeit Lichtjahre entfernt vom heutigen Flottenwert (165 g/km). Nur ein einziges Fahrzeug, der Jaguar XE mit dem 163 PS starken Einstiegsdiesel, erreicht 99 g/km. Löblich. Dafür schlägt ein XJR mit V8-Kompressor und 550 PS mit 264 g/km zu Buche. Bei Land Rover ist die Spreizung ähnlich. Sie reicht von 113 g/km (Evoque) bis zum großen Range Rover mit 299 g/km.

Ausgleichsmodelle wie Kleinwagen in hoher Stückzahl oder gar Plug-in-Hybride sowie Elektrofahrzeuge mit Mehrfachzählungen (Supercredits)? Fehlanzeige. Erstere wird es nicht einmal auf lange Sicht nicht geben, letztere haben dagegen Dringlichkeitsstufe eins. Anstelle den Hybrid-Supersportwagens C-X75 (spielte im Bond-Film „Spectre“ mit) zur Serienreife zu bringen, kündigte Jaguar bereits an, bis Ende 2019 zwei reine Elektromodelle auf den Markt bringen zu wollen, eine Limousine und einen SUV.

In den zeitlichen Rahmen würde da die nächste Generation des XJ passen. Die aktuelle Version wird seit 2009 gebaut. Das Flaggschiff könnte als Gegenstück zum Tesla Model S positioniert werden. Ein zweites Eisen im Feuer hätte Jaguar mit dem SUV F-Pace (seit diesem Jahr auf dem Markt), der als Elektrovariante deutlich mehr Kunden ansprechen würde. Aufs gleiche Crossover-Pferd setzen auch Mercedes mit der Serienversion des EQ und Audi mit dem C-BEV, der vermutlich Q6 e-tron heißen wird. Jaguars SUV mit Stromantrieb (Projektname J-Pace) könnte E-Pace am Heck tragen. Zumindest hat man sich diese Bezeichnung schützen lassen. Gut möglich, dass der E-Pace als Studie in wenigen Wochen auf der Los Angeles Auto Show Premiere feiert.

E-Drive-Erfahrung sammeln die Briten derzeit in der Formel E. Hier hat Jaguar ein Team am Start und nutzt die Rennserie, das Know-how im Bereich der Elektromobilität voranzutreiben. Das gesammelte Wissen kommt natürlich auch der Schwester Land Rover zugute. Zunächst war zu lesen, die Offroad-Marke soll ausschließlich den Plug-in-Hybrid-Part übernehmen. Ob dies so bleibt, ist ungewiss. Vorstellbar ist durchaus eine BEV-Variante (Battery Electric Vehicle), vielleicht sogar als Defender, der Anfang dieses Jahres eingestellt wurde und 2019/20 in Neuauflage beim Händler stehen soll. Entwickelt hat JLR bereits ein E-Modul (EDM), das für nahezu jeden Getriebetyp einsetzbar ist und sogar als alleiniger Antrieb genutzt werden kann. Auch am 48-Volt-Teilbordnetz arbeiten die britischen Ingenieure.

Für den weltweiten Vertrieb von Plug-in-Hybrid-Modellen steht ab nächstem Jahr der komplett neu entwickelte Zweiliter-Vierzylinderbenziner aus der Ingenium-Familie bereit. Kombiniert wird das 296-PS-Turboaggregat mit einer ZF-Achtgangautomatik und kommt in den großen Modellen zum Einsatz. Evoque und Discovery Sport erhalten dagegen einen Dreizylinder-Ingenium-Dieselmotor als Plug-in-Hybrid.

Helfen, die CO2-Werte nach unten zu bringen, soll natürlich auch der Leichtbau. Es ist davon auszugehen, dass zukünftig bei JLR jedes neue Modell in Vollaluminiumbauweise vom Band rollt mindestens 75 Prozent Recyling-Alu enthalten wird (interne Zielwerte), um die Energiekosten bei der Herstellung massiv zu senken. Keine Automarke der Welt fertigt schon heute einen größeren Anteil ihres Portfolios in Leichtmetall. Davon ausgenommen ist nicht einmal der Kult-Geländewagen Defender, bei dem man sich sogar vom klassischen Leiterrahmen verabschiedet und ebenfalls auf das PLA-Monocoque (Premium Lightweight Architecture), wie schon beim neuen Discovery (Marktstart: Frühjahr 2017) setzt.

Noch geheim hält Jaguar Land Rover, wo man welche neuen Modelle fertigen wird. Zur Disposition steht das neue Werk in der Slowakei sowie als Partner Magna Steyr in Graz. Man sei da sehr flexibel, heißt es aus der britischen Zentrale. So wanderte bereits der Jaguar XE von Solihull nach Castle Bromwich, um für den F-Pace Platz zu machen, der dort zusammen mit den großen Aluminium-Geländewagen gefertigt wird. Halewood ist komplett mit dem Evoque ausgelastet, noch immer der Bestseller. Einen weiteren Schub hat die Cabrioversion gebracht. Allein in Deutschland sorgte der offene Lifestyle-SUV für ein Plus von 20 Prozent an der Baureihe.
(Michael Specht/SP-X)

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