Die US-Hersteller auf der Detroit Motor Show – „Great“, aber verunsichert

„Nenn mich Dave“, sagt der Mann hinterm Steuer des schon etwas angegrauten, aber durchaus gepflegten Ford Fusion. Die Heizung läuft auf vollen Touren, es ist bitterkalt in Detroit, auch wenn die Schneewolken weitergezogen sind. „Wir frieren und andere sprechen von der Erderwärmung“, lächelt er und fügt ernst hinzu: „Der neue Präsident hat recht, wenn er nicht an den Klimawandel glaubt“. Der Ford ist Daves Privatwagen, er fährt für den Taxidienst Uber und hat derzeit oft die Cobo Hall am Ufer des Detroit Rivers als Ziel. Hier ist die große Automesse zu Hause, die allerdings in diesem Jahr so groß nun auch wieder nicht ist. Viele bekannte Namen fehlen: Unter anderem Porsche, Jaguar, Ferrari, Mitsubishi, aber auch Tesla. Für den Elektropionier aus Kalifornien ist Detroit nun mal Symbol der alten Autowelt.

Der Cadillac CTS-V leistet dank seines 6,2-Liter-Achtzylinders samt Kompressor beachtliche 477 kW/640 PS

Dave ist kein Radikaler, nennt sich selbst einen Vernunftmenschen. „So wie ich denken viele“, sagt er. Donald Trump wird es schon richten und die heimische Autoindustrie von vielen lästigen Umweltauflagen seines Vorgängers befreien. Dave kassiert 18 Dollar für die Fahrt auf den im Vergleich zu anderen Städten der USA leeren Straßen mit ihren Tausenden von Schlaglöchern. Auf seinem Monitor kommt schon der nächste Auftrag. Zur Messezeit sind die Uber-Fahrer gut beschäftigt. Der in Deutschland nicht zugelassene Fahrdienst boomt überall in den USA.

Einen Verkaufsboom erleben die drei großen US-Konzerne, die mit Ausnahme von Ford vor acht Jahren vor der Pleite standen und nur durch Staatshilfen überleben konnten. Damals verpflichteten sie sich, durch kleinere, umweltschonendere Fahrzeuge der Konkurrenz aus Asien und Europa die Stirn zu bieten. Plötzlich gab es dann einen Ford Fiesta oder den kleinen Chevrolet auf Basis des Opel Corsa auch in den USA. Der neue Chrysler-Besitzer Fiat lancierte sogar den Fiat 500, der heute neben einem großen Dodge-Pickup aus dem gleichen Konzern wie ein Spielzeugauto wirkt.

Beim Bummel über die Stände der US-Hersteller ist von der Abrüstung im Motorraum nicht viel übriggeblieben: Zwar sind die Triebwerke unter den gewaltigen Hauben kleiner geworden, doch dank Turbo oder Ecoboost-Technik ist die Leistung durch die Bank gestiegen. Wie zum Beispiel beim neuen Ford F 150. In Europa nahezu unbekannt, ist der große Pickup das meistverkaufte Auto in den USA. Wird er erneuert, ist das etwa so wichtig wie bei uns die Premiere eines neuen VW Golf. Zwar wird es den Riesen erstmals auch mit einem Diesel geben, Spitzenmotorisierung bleibt aber ein Fünfliter-Achtzylinder mit rund 400 PS. Zu haben sind aber auch kleine Sechszylinder-Triebwerke, die aber ebenfalls gut 300 PS und mehr an beide Achsen schicken. Immerhin: Ford kündigte in Detroit an, den F 150 und auch den Sportwagen Mustang demnächst als Hybrid (Benziner plus Elektromotor) an den Start zu bringen.

Und dann wartet Ford noch mit einer guten Nachricht für Mr. Trump auf: Die vor 21 Jahren eingestellte Geländewagen-Legende Bronco (er wurde kurzzeitig auch in Deutschland verkauft) wird 2020 als weiteres SUV neu aufgelegt und natürlich im Gebiet um Detroit produziert. Dort läuft auch der F 150 vom Band. Ford wird also von den Strafzöllen verschont bleiben, die der neue starke Mann all den Firmen androht, die im Ausland gebaute US-Modelle im Heimatland verkaufen.

Chevrolet zeigt das SUV Traverse

So einen Warnschuss bekam per Twitter gerade General Motors, der größte US-Hersteller plant eine neue Fabrik in Mexiko. In Detroit hat er ebenfalls Neues zu bieten: Das große SUV Chevrolet Traverse zum Beispiel, das mit einem 224 kW/305 PS starken Sechszylinder-Turbo antritt. Der kleinere Zweiliter-Turbo hat auch noch beachtliche 187 kW/255 PS zu bieten. Ebenfalls aus dem Hause General Motors kommen die bärenstarken Limousinen von Cadillac, der erklärten Lieblingsmarke von Donald Trump. Der CTS-V leistet dank seines 6,2-Liter-Achtzylinders samt Kompressor beachtliche 477 kW/640 PS. Das gleiche Triebwerk steckt auch im SUV-Giganten Escalade. Allerdings ohne Kompressor und mit „nur“ 313 kW/420 PS.

Den Vogel im PS-Rennen schießt eine neue amerikanische Sportwagen-Firma ab, deren Präsident der Manager-Veteran Bob Lutz ist, der schon bei allen drei US-Konzernen in der Chefetage saß. Nur wegen der vielen Absagen renommierter Hersteller schaffte es VLF Automotive, sich einen Platz auf der Detroit Motor Show zu ergattern. Die viertürige Coupé-Limousine Destino V8 hat den Achtzylinder des Supersportwagens Chevrolet Corvette unter der Haube (469 kW/638 PS) und kostet umgerechnet über 200.000 Euro. Das andere Modell kann das noch toppen: Der zweisitzige Sportwagen Force 1 V10 protzt mit einem 8,4 Liter Zehnzylinder und 548 kW/745 PS. Sein Preis liegt bei umgerechnet einer Viertel Millionen Euro. Keine Leistungsdaten gibt es vom gewaltigen SUV der neuen Firma. Aber ein Achtzylinder passt allemal unters Blech des Ungetüms. Dem VLF X-Series wurde die zweifelhafte Ehre zuteil, zum hässlichsten Auto der Messe gekürt worden zu sein. Nicht schön also, aber auf jeden Fall „great“.

Der zweisitzige Sportwagen Force 1 V10 protzt mit einem 8,4 Liter Zehnzylinder und 548 kW/745 PS

So gehen also die US-Hersteller ins erste Jahr einer neuen Zeitrechnung, die Donald Trump vorgibt. Selbstbewusst und trotzdem verunsichert. Wird der Präsident sein Versprechen einlösen und die Wirtschaft durch Steuersenkungen ankurbeln? Oder wird er wirklich jede Firma bestrafen, die Arbeitsplätze aus den USA in Billiglohn-Länder exportiert? Diese Frage wird zwischen den Ständen heftiger diskutiert als jede noch so spannende automobile Neuheit. (Peter Maahn/SP-X)

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